Wenn ein Tatverdächtiger festgenommen wird, wird oft gefordert, ihn wegzusperren, also in Untersuchungshaft zu stecken. Doch nicht selten kommt der Tatverdächtige wieder frei. Obwohl er dringend tatverdächtig ist. Wieso ist das so?
Mal angenommen: Die Polizei ermittelt zwei Männer, die einen anderen Mann verprügelt haben sollen. Dieser Mann ist an den Verletzungen gestorben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Die beiden Männer gestehen die Tat in Teilen, insbesondere, dass sie an der Attacke auf den Mann beteiligt waren. „Klare Sache“, könnte man sagen. Dringend tatverdächtig, also ab in die Untersuchungshaft!
Doch dann kommt es anders: Die Staatsanwaltschaft beantragt keinen Haftbefehl, die Männer sind wieder auf freiem Fuß. Sie seien tief in der Region verwurzelt, heißt es seitens der Polizei. Zudem haben die Männer die Tat ja teilweise eingeräumt. Flucht- oder Verdunkelungsgefahr bestünde daher nicht.
Ein Fall, der in abgewandelter Form immer wieder vorkommt: Der Festgenommene ist dringend tatverdächtig und kommt trotzdem wieder auf freien Fuß. Skandal? Nein. Medien müssen hier vorsichtig sein. Denn nur weil jemand dringend tatverdächtig ist, muss er noch lange nicht gleich in Untersuchungshaft kommen. Das überrascht viele. Häufig kommt dann die Frage: „Wie jetzt? Der war es doch! Den lässt man wieder laufen?“ Ja, aber nur vorläufig. Prozessordnung verlangt Haftgrund Untersuchungshaft, also diejenige Haft, in die ein Tatverdächtiger noch vor seiner rechtskräftigen Verurteilung kommt, beschneidet die persönliche Freiheit. Das wiegt umso schwerer als der Tatverdächtige bis zu seiner rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig gilt. Deshalb verlangt die Strafprozessordnung (§ 112 StPO) neben dem dringenden Tatverdacht noch einen Haftgrund. Ein solcher kann sein: Flucht oder Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr, Wiederholungsgefahr oder Verdacht der Schwerkriminalität (nur hier würde insofern der dringende Tatverdacht reichen). Haft nur bei Gefahr für das Ermittlungsverfahren Die Haftgründe der Strafprozessordnung zeigen: Der Richter ordnet die Untersuchungshaft in der Regel nur dann an, wenn das Ermittlungsverfahren dadurch gefährdet wäre, dass sich der Tatverdächtige auf freiem Fuß befindet. So müsste ein Verdächtiger, der sich mit großer Wahrscheinlichkeit dem Verfahren durch Flucht ins Ausland entzieht, natürlich in U-Haft kommen (Fluchtgefahr). Das Gleiche würde für einen Verdächtigen gelten, der vor seiner Festnahme schon damit begonnen hat, Beweismittel zu vernichten (Verdunkelungsgefahr). Ganz anders würde das bei einem Tatverdächtigen aussehen, der sich selbst gestellt und seine (minder schwere) Tat gestanden hat. Ihn in Untersuchungshaft zu nehmen wäre völlig absurd. Es bestünde weder die Gefahr, dass er sich dem Verfahren entzieht. Denn immerhin hat er sich ja selbst gestellt. Noch bestünde Verdunkelungsgefahr, denn es war ja gerade der Verdächtige, der durch sein Geständnis zur Aufklärung der Tat beitragen will. Wiederholungsgefahr läge bei einem reuigen Täter wahrscheinlich auch nicht vor. Übrigens: in Haft käme er oder sie noch früh genug. Nämlich dann, wenn das Gericht ihn oder sie nach dem Prozess zu einer Haftstrafe verurteilt.